EuGH kippt anlasslose Vorratsdatenspeicherung

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner heutigen wenig überraschenden Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Vorratsdatenspeicherung bestätigt.

 

Die Entscheidung ist wichtig und richtig, wird in der strafrechtlichen Praxis aber längst unterwandert.

 

Gegenstand der Entscheidung war die gesetzliche Verpflichtung der Provider von Internetzugangsdiensten zur Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten sämtlicher Telekommunikationsvorgänge nach dem deutschen Telekommunikationsgesetz (TKG). 

 

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass die Pflicht zu einer allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten gegen europäisches Recht verstößt.

 

Wie wird diese gebetsmühlenartig und nicht nur gefühlt einmal jährlich wiederholte, ständige Rechtsprechung des obersten europäischen Gerichts in der Praxis unterwandert?

 

Die europa- und weltweit koordinierte Speicherung, Auswertung und Analyse nicht nur von Verkehrs- und Standortdaten sondern auch Text-, Sprach- und Videonachrichten, Notizen und Kontaktlisten über einen Zeitraum von insgesamt fast zwei Jahren (2019-2021) von weltweit über 100.000 Nutzern in den EncroChat, Skyecc und Anom Verfahren zeigt, dass die Strafverfolgungsbehörden in der Praxis diese Vorgaben erfolgreich umgehen. 

 

Selbstverständlich beruhten diese Maßnahmen nicht auf den in Rede stehenden und vom EuGH gekippten Rechtsgrundlagen zur Vorratsdatenspeicherung, sondern auf nationalen strafprozessualen Normen, die bestimmte Maßnahmen zur Bekämpfung von schwerster Kriminalität erlauben.

 

Diese Regelungen ermöglichen den Behörden die gezielte Erhebung von Telekommunikationsdaten, wenn ein konkreter Verdacht besteht. Denn das hält auch der EuGH für europarechtskonform.

 

Wenn jetzt aber dieses Erfordernis einer konkreten Verdachtslage so sehr verwässert wird, dass schon die Benutzung von verschlüsselten Kommunikationsmitteln diese schwerwiegenden Grundrechtseingriffe legitimieren und einen konkreten Verdacht begründen sollen, da in der Vergangenheit auch Straftaten über verschlüsselte Kommunikation koordiniert worden sind, darf man wohl offen von einer Ignoranz bzw. Umgehung der europäischen Rechtsprechung durch die europäischen Strafverfolgungsbehörden sprechen.

 

Es bleibt abzuwarten, wie Der Gerichtshof der Europäischen Union die Vorgänge um die Datenspeicherung in den EncroChat, Skyecc und Anom-Verfahren und die diesen zugrunde liegenden nationalen strafprozessualen Regelungen vor dem Hintergrund der aufgestellten Grundsätze zur Vorratsdatenspeicherung bewertet, wenn denn ein europäisches Gericht ihm diese vorlegt. 

 

Nur dann kann Der Gerichtshof der Europäischen Union zeigen, ob er den richtigen und wichtigen Gedanken zum Grundrechtsschutz der Bürger in abstrakten Sachverhalten auch Taten bei konkreten Gefährdungen und Verletzungen dieser Grundrechte folgen lässt.

 

Die offizielle Pressemitteilung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20.09.2022 finden Sie hier.

 

 

 

 

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