Das Landgericht Berlin hat die Hauptverhandlung auf Anregung der Verteidigung, Rechtsanwalt Stefan Conen, in einem EncroChat-Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/41 (RL-EEA) im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens vorgelegt.
Auf diesem Weg soll geklärt werden, ob die deutschen Ermittlungsbehörden bei der Erlangung der Daten gegen die RL-EEA verstoßen haben und ob ggf. die Verstöße die Verwertung der Daten im Strafverfahren hindern.
Dem Vorlagebeschluss ist eine umfangreiche Beweisaufnahme mit Vernehmung verschiedener Zeugen der beteiligten Strafverfolgungsbehörden vorausgegangen.
Das Ergebnis der Beweisaufnahme: Die deutschen Behörden waren im Vorfeld der Datenerhebung eingebunden und die vorherige Einleitung des deutschen UJs-Verfahrens stand im Zusammenhang mit der in Frankreich geplanten und u.a. auf in Deutschland befindlichen Endgeräten
erfolgten Maßnahme.
Die bisher ergangene Rechtsprechung konnte diesen Umstand nicht berücksichtigen, da die Strafverfolgungsbehörden nur selektiv Aktenbestandteile zur Verfügung stellen und Informationen unter Verschluss halten. Beispielhaft ist zu erwähnen, dass die den EncroChat-Verfahren zugrundeliegende UJs-Akte mind. 1836 Seiten beinhaltet, wovon lediglich 122 Eingang in die Verfahrensakten fanden.
Im Wesentlichen stehen folgende Fragen zur Beantwortung:
- Muss eine EEA zur Erlangung von Beweismitteln von einem Richter erlassen werden, wenn die Beweiserhebung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall durch einen Richter hätte angeordnet werden müssen?
- Wie wirkt es sich aus, wenn sich die durchgeführte Telekommunikationsüberwachung auf sämtliche auf dem Hoheitsgebiet befindlichen Anschlüsse erstreckte und keine konkreten Anhaltspunkte für die Begehung von schweren Straftaten durch einen individuellen Nutzer bestehen, insbesondere wenn die Integrität der Daten wegen umfassender Geheimhaltung nicht überprüft werden kann?
- Inwieweit handelt es sich bei einer Datenabschöpfungsmaßnahme von Endgeräten eines internetbasierten Kommunikationsdienstes um eine Überwachung des Telekommunikationsverkehrs iSd RL-EEA und welche Unterrichtungspflichten, welcher Institutionen bestehen, wenn die Maßnahme nach innerstaatlichem Recht nur durch einen Richter angeordnet werden könnte?
- Wie wirkt es sich aus, wenn die der Datenerhebung zugrundeliegenden Maßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unzulässig gewesen wäre?
- Ergibt sich bei einer Beweismittelerlangung durch eine unionsrechtswidrige EEA unmittelbar ein Beweisverwertungsverbot bzw. inwieweit ist eine solche im Rahmen einer Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen, insbesondere wenn die Schwere der Tat durch die Auswertung der erlangten Beweismittel gerechtfertigt wird?
Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, ist noch nicht bekannt.
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