Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 23.05.2024 klargestellt, dass die Überwachung und Aufzeichnung des Telefonverkehrs des Klägers gegen Artikel 8 (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) der EMRK verstoßen hat, da der Kläger nicht die Möglichkeit hatte, die Rechtmäßigkeit der Maßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen.
Der Gerichtshof stellte fest, dass das italienische Recht keine angemessenen und wirksamen Garantien bietet, mit denen sich Betroffene von Überwachungsmaßnahmen wehren können, wenn sie zwar einer Abhörmaßnahme unterworfen wurden, aber nicht als Beschuldigte an dem Verfahren beteiligt sind. Insbesondere sind diese Personen nicht in der Lage, bei einer Justizbehörde eine wirksame Überprüfung der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Maßnahme zu beantragen und gegebenenfalls angemessene Rechtsmittel einzulegen.
Der EGMR stellt damit ausdrücklich klar, dass jeder Betroffene von einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme, sei es als Beschuldigter oder Dritter, eine Rechtsschutzmöglichkeit gegen diese Maßnahme haben muss.
Die Entscheidung hat auch unmittelbare Auswirkungen auf die aktuellen Kryptohandyverfahren, EncroChat, SkyECC und ANOM und führt hier, zu vielen anderen Verstößen, auch zu einem Verstoß gegen Art. 8 EMRK:
⚡ Da in den Hashtag ANOM-Verfahren noch nicht einmal das Land bekannt und benannt ist, dass die Daten erhoben haben will, ist für die Betroffenen eine gerichtliche Überprüfung schon denklogisch ausgeschlossen.
⚡ In den EncroChat und SkyECC Verfahren hat Frankreich die Telekommunikationsdaten erhoben. Allerdings gewährt Frankreich den ausländischen Betroffenen keine Rechtschutzmöglichkeit gegen die ursprünglichen gerichtlichen Beschlüsse, da diese nicht Beschuldigte in den französischen Verfahren waren. (siehe Stellungnahme von Frankreich in dem EGMR-Verfahren zu EncroChat siehe hier)
Die Entscheidung folgt der Linie des EGMR, der den effektiven Rechtsschutz gegen TKÜ-Maßnahmen als fundamentalen Bestandteil des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK ansieht. Gerichtliche Überprüfbarkeit muss unabhängig von der Staatsangehörigkeit (siehe EGMR, 64371/16 and 64407/16 Wieder and Guarnieri v UK hier der Artikel dazu) oder der Beschuldigteneigenschaft der Betroffenen gewährleistet sein, wenn Telekommunikation überwacht wird.
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manfred willi reichert (Sonntag, 10 November 2024 12:32)
Schönen guten Tag aus Verden Herr Rechtsanwalt Lödden.
Gestatten sie mir interessehalber eine Nachfrage bei ihnen als Anwaltlöcher Vertreter eines in einem sogenannten "Encrochatt"basierten Verfahrens .
Im Frühsommer dieses Jahres gehörte ich zu den Zuhörern, der in Verden vor dem Landgericht stattfindenden Verhandlungen gegen den Angeklagten "Ali" aus Visselhövede dem der Handel mit Rauschmitteln in nicht unerheblicher Menge vorgeworfen wurde.
Über den Weiteren Verlauf der Verhandlungen wurde zumindest in der Presse nichts berichtet.
Sind sie in der Lage mir mitzuteilen, ob das mit obigen Urteil zu tun hat, oder ob es aus anderen Gründen Verzögerungen gab die zu Veröffentlichen sind? Gibt es Mitteilungen anwaltseits zum weiteren Fortgang des Verfahrens?
Besten Dank und Viele Grüsse aus Verden M. W. Reichert