EncroChat beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - Entscheidung vertagt, Chance vertan!?!

Der EGMR hat die Beschwerden von 2 britischen Staatsbürgern gegen die EncroChat Maßnahmen der französischen Behörden wegen Verstößen gegen Art. 8 EMRK als unzulässig abgelehnt, weil die Beschwerdeführer nicht den Rechtsweg in Frankreich ausgeschöpft haben. Gleichzeitig hat der EGMR ausdrücklich festgestellt, dass Personen, denen vorgeworfen wird, ein EncroChat-Gerät benutzt zu haben, in Frankreich die Möglichkeit haben müssen, die Anordnung der Überwachung gerichtlich überprüfen zu lassen.

 

Wogegen war die Beschwerde gerichtet?  

Die Beschwerdeführer haben argumentiert, die Datenerhebungsmaßnahme auf den EncroChat-Geräten durch französische Strafverfolgungsbehörden verstoße schon deswegen gegen Art. 8 EMRK, weil sie in Frankreich kein effektives Rechtsmittel gegen die richterliche Anordnung haben (Argumente aus CONTRADA v. ITALY (No. 4)  2507/19 und WIEDER AND GUARNIERI v. THE UNITED KINGDOM 64371/16 & 64407/16).

 

Wie hat Frankreich in dem Verfahren argumentiert?

Frankreich hat argumentiert, dass es grundsätzlich ein Rechtsmittel gebe, dieses aber in der Praxis u.a. aufgrund der Vielzahl der Betroffenen nicht anwendbar ist für ausländische Betroffene, da diese Rechtsschutz in ihren eigenen Staaten suchen können (vgl. die Antworten der Republik Frankreich an den EGMR zu finden hier).

 

Was hat der Gerichtshof entschieden?

  • Der Gerichtshof stellt zunächst fest, dass die Zuständigkeit Frankreichs begründet ist, weil die französischen Behörden die Datenerhebungsmaßnahme durchgeführt haben.  
  • Der Gerichtshof erkennt auch an, dass die Beschwerdeführer Opferstatus ("victims status") haben, obwohl sie die Nutzung eines EncroChat-Geräts nicht einräumten. Es reiche aus, wenn ihnen vorgeworfen wird, ein solches Gerät benutzt zu haben.
  • Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass den Betroffenen in Frankreich ein Rechtsbehelf gegen die französischen Beschlüsse nach dem französischen Gesetz zusteht und sie diesen Weg nicht gegangen sind.  

Was bedeutet das für die Praxis? 

Gemeinsam mit Kollegen aus Belgien, den Niederlanden und Italien habe ich für Betroffene in EncroChat und SkyECC Fällen in Frankreich genau diesen Weg beschritten. Wir haben Beschwerden eingelegt und die französischen Gerichte haben, wie in der Antwort Frankreichs an den EGMR angekündigt, diese als unzulässig abgewiesen. Die Fälle liegen jetzt beim Cour de Cassation, dem obersten französischen Gericht. Es ist davon auszugehen, dass sie auch dort als unzulässig abgewiesen werden. Dann steht der Artikel 8 Verstoß fest.

 

Warum ist diese Entscheidung so frustrierend? 

Obwohl Frankreich in dem Verfahren deutlich macht, dass der Rechtsschutz zwar auf dem Papier besteht, aber in der Praxis nicht gewährt wird, zieht sich der Gerichtshof auf Formalitäten zurück und zwingt die Betroffenen durch die (aussichtslosen/teuren/langwierigen) Instanzen, um am Ende einen Menschenrechtsverstoß festzustellen. Frustrierend deshalb, weil es um die persönliche Freiheit von tausenden Bürgern geht und es deutlich macht, wie sehr Staaten ihre eigenen gut gedachten rechtsstaatlichen Regeln und Garantien ignorieren, wenn die Ergebnisse stimmen.

 

Mehr dazu hier.

Die Pressemitteilung des EGMR finden Sie hier (auf Englisch).

Eine rechtliche Zusammenfassung finden Sie hier (auf Englisch).

Den Volltext des Urteil finden Sie hier (leider nur auf Französisch).

Presseberichterstattung zu der Entscheidung gibt es hier (auf Niederländisch).

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